Herstellung von Kunststoffprodukten und -maschinen nun „essenziell wichtig" / Regierungschef Conte und acht EU-Kollegen fordern koordiniertes Vorgehen in Europa bei Corona-Krise

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(Foto: PantherMedia/AndreySt)

 

Die italienische Kunststoffindustrie darf weiterhin fast komplett tätig sein. Das geht aus der aktualisierten Liste hervor, die die Regierung in Rom am 26. März 2020 veröffentlichte. Die Herstellung von Kunststoffen für Schuhe sowie Schreibwaren und Büroartikel allerdings ist während des Corona-Ausnahmezustands in Italien derzeit nicht erlaubt.

Der Mailänder Branchenexperte Paolo Arcelli, Direktor Business Insight von Plastic Consult (Mailand / Italien; www.plasticconsult.it) bestätigte gegenüber KI, dass der Kunststoffsektor als „wesentlich für das Funktionieren der italienischen Wirtschaft" klassifiziert wurde und dass die Produktion von Rohstoffen und Polymeren im Land weiterhin in Betrieb sei.

Neu ist jedoch gegenüber dem ursprünglichen, von Premierminister Giuseppe Conte am 22. März veröffentlichten Dekret, dass Elastomerverarbeiter die Herstellung bis zum 3. April 2020 einstellen müssen – gemäß dem Ateco-Code 22.1X ist der Betrieb untersagt. Diese Codes des italienischen Statistikamtes klassifizieren Unternehmen nach ihrer wirtschaftlichen Aktivität.

Ob TPE und andere Elastomere weiter hergestellt werden dürfen, obliegt dem jeweiligen Ateco-Code eines Unternehmens. Die Erzeugung von Kunststoff und Gummi in Primärformen wird zum Beispiel im Ateco-Code 20.X (Chemikalien) gelistet – der überwiegende Teil dessen ist weiter erlaubt, mit Ausnahme von Farben/Pigmenten und Explosionsgütern/Streichhölzern. Celanese (früher Softer) zum Beispiel hat den Code 20.16 „Herstellung von Kunststoff in Primärform", womit weiter produziert werden darf. Das Gleiche gilt etwa für API (Trinseo). Auch die führenden TPE-Hersteller sind berechtigt, den Betrieb aufrechtzuerhalten: Franplast hat Ateco 22.2 (Herstellung von Kunststoffprodukten), Goldenplast 20.17 (Herstellung von Gummi in Primärform).

Gemäß dem Regierungserlass vom 22. März wurden weitere landesweite Maßnahmen zur Eindämmung der dramatischen Covid-19-Ausbreitung eingeführt, einschließlich Beschränkungen der industriellen und kommerziellen Produktion in anderen Sektoren. Als „strategisch wichtig für das Land" definiert sind neben Kunststoff- und chemischen Produkten auch Kunststoffmaschinen, die Herstellung von Vliesstoffen (ohne Kleidung) sowie die entsprechenden Lieferkettenaktivitäten. Zulässig sind auch Herstellung, Transport und Vermarktung von Medizinprodukten.

Ungeachtet der Erlaubnis gibt es Kunststoffunternehmen, die freiwillig oder aufgrund des Marktdrucks den Shutdown verkünden. Durch die Zwangspause in der Automobilindustrie etwa (siehe KIWeb vom 19.03.2020) informierte der Hersteller von PUR-basierten Schäumen für Auto- und Bahn-Sitzsysteme Clerprem, dass die Werke in Atessa, Carrè und Cumiana bis mindestens 3. April 2020 geschlossen bleiben, für Lieferungen aus Italien wurde ab 24. März Force Majeure erklärt. Ab 6. April könnte es wieder regulär weitergehen. Es gebe weder Produktions- noch administrative Aktivitäten vor Ort, „Smart working" nur wo möglich. „Bleiben Sie zu Hause bei Ihren Lieben", forderte CEO Francis Faccin Kos seine Mitarbeiter auf. Zu den weltweiten Kunden zählen Bombardier, Siemens, Deutsche Bahn, Audi, Volkswagen und BMW.

Quer durch Europa sind Automobilzulieferer derzeit von den Produktionsunterbrechungen der Autobauer in Folge der Corona-Krise betroffen (siehe KIWeb vom 25.03.2020 und 20.03.2020).

Kunststoffmaschinenbauer dürfen weiter produzieren
Der italienische Verband der Kunststoffmaschinenindustrie Amaplast (Mailand; www.amaplast.org) erklärte, dass die Betriebe das am 24. März unterzeichnete Protokoll aus Rom einhalten müssen, in dem die Maßnahmen aufgeführt sind, mit denen die Virus-Ausbreitung innerhalb und außerhalb der Arbeitsstätten begrenzt wird. Mit der Priorität, „die Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten von denen, die am Produktionszyklus beteiligt sind". Die Maschinenbauer müssen die Produktionsaktivitäten auf Einheiten beschränken, die laut Dekret als „essenziell" definiert sind, und die Arbeitspläne müssen je nach Bedarf angepasst werden.

Für die Lieferung von Materialien und Komponenten für den Maschinen- und Anlagenbau seien einige Verzögerungen zu verzeichnen, die sich jedoch noch nicht auf den regulären Produktionsbetrieb auswirkten, so Amaplast. Maschinenlieferungen und Kundenbetreuung laufen ebenfalls wie gewohnt weiter. Bereits zu einem früheren Zeitraum erklärte der Branchenverband, die Produktionsbetriebe seien überwiegend noch in Funktion (siehe KIWeb vom 17.03.2020).
Neun Länder fordern EU-Rat zu koordinierten Aktionen auf
Am 25. März unterzeichnete Premier Conte zusammen mit den Staats- und Regierungschefs von Belgien, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg, Portugal, Slowenien und Spanien einen Brief an den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, in dem um eine europaweite Koordinierung der Maßnahmen während dieses „beispiellosen Schocks“ infolge der Coronavirus-Pandemie gebeten wird.

Die Staatsoberhäupter sagen, es sei ein abgestimmtes Handeln notwendig, „wenn wir die ergriffenen extremen Maßnahmen zurücknehmen, um eine zu voreilige Rückkehr zur Normalität zu vermeiden und um zu verhindern, dass das Virus erneut aus anderen Ländern importiert wird." Sie betonen die Notwendigkeit, Anstrengungen zu unternehmen, um die Produktion und den Vertrieb wichtiger medizinischer Geräte und Lieferungen zu gewährleisten. Daher müsste sichergestellt werden, dass wesentliche Wertschöpfungsketten in der EU funktionieren.

 

 

 

Quelle: Kunststoffe.de